Also ich, als jemand, der regelmäßig mit Beinaheunfällen konfrontiert wird, bin stärker Verfechter für den Umstieg auf autonomes Fahren.
Vorgestern erst standen wir zu zweit fast parallel im Kreisverkehr, weil Anhalten bekanntlich optional ist. Dazu die Leute die Spurwechsel machen, während sie am Handy tippen und einem in die Seite fahren, mein letzter Unfall, weil jemand meinte, er müsste sich bei einer Straßenverengung noch durchdrücken, die Leute die beinahe täglich auf der eigenen Spur entgegenkommen weil ihr SUV angeblich Anspruch auf die ganze Straße hat, die Leute die einem zwanghaft auf dem Rangierplatz die Vorfahrt nehmen, weil sie darauf beharren, dass dort Rechts-Vor-Links gilt (gilt nicht auf Rangierplätzen und Parkplätzen). Ich kann den ganzen Tag aktuelle Beispiele aufzählen
Also ich, als jemand der in seinen bald 40 Jahren auf diesem Felsbrocken beruflich mehr als genug mit Software, deren Entwicklung und - noch schlimmer - deren Nutzern zu tun hatte kann bei der Vorstellung von millionen autonom herumfahrender Bürgerkäfige nur Panikattacken kriegen…
Dann hat ein Auto nen Fehler und alle drum rum reagieren so schnell darauf dass weiterhin nichts passiert.
VS. jetzt: Eine Person macht eine Vollbremsung und dann landen 3 weitere Autos dahinter im Heck weil niemand Sicherheitsabstände einhält.
Oder anders herum: Hacker aus $feindlich_gesinnter_Gruppierung schafft es eine Schadsoftware in das Updatesystem eines Herstellers einzuschleusen, tausende parallel auftretende Verkehrsunfälle, dadurch Überlastung der Rettungskräfte… und 9/11 würde dagegen wie ein Kindergeburtstag aussehen.
Oder viel wahrscheinlicher: Obiges Szenario tritt einfach nach einem verpfuschten OTA-Update auf.
Das kann doch jetzt schon passieren. Was hindert hacker daran einfach ein update auf meinen taycan zu spielen welches tempomat 180 anmacht?
Sagen wir es mal so: Wenn der Angreifer entsprechend auf den Tempomat einwirkt bist du - oder sagen wir mal besser “solltest du” - auf Grund deiner noch auf den Verkehr gerichteten Aufmerksamkeit hoffentlich noch in der Lage zu reagieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Sobald wir erstmal beim vollautonomen Fahren angekommen sind wir dieser Vorteil des menschlichen Korrekturfaktors schnell wegfallen oder zumindest mit einer deutlichen Verzögerung (wer achtet schon auf den Verkehr wenn die Karre alles selber macht?) eintreten.
Die bereits existierenden Assistenzsysteme reichen schon völlig aus. Gegen eine Notbremsung ohne Grund dafür in der falschen Situtation kann man als Fahrer auch beim jetztigen Stand nicht viel machen.
Entscheidend ist, dass es ausreichend Regularien gibt, die die Sicherheit solcher Systeme gewährleisten und Motivation in Form von Geldstrafen für die Unternehmen ihre Systeme sauber zu halten. Auch ein OTA-Update kann man im Vorfeld testen und dann Stückweise hochladen.
Und dennoch bleibt es eine Tatsache, dass all die Assistenzsysteme mit Sicherheit weit mehr Leben retten, als sie gefährden. Und so wird es langfristig auch bei autonomen Fahrzeugen sein. Der größte Unsicherheitsfaktor ist und bleibt nunmal der Mensch.
Ich kann hier nur sagen: “Einzig fehlt mir der Glaube…”
Wenn wir bei Fahrzeugen ein hinreichendes Sicherheitslevel erreichen wollen müssten wir Regularien wie in der Luftfahrt oder im militärischen Bereich einführen - was zu entsprechenden Kosten führen würde. Bei unserer Lobbykratie schwant mir da allerdings übles…
Es wird sicherlich faule Kompromisse geben und wir werden weit entfernt von Perfektion geben. Gut möglich, dass es zu größeren Fehlern kommt, bei denen Menschen sterben.
Wenn man sich andererseits die Statistiken der Unfallzahlen ins Gedächtnis ruft und sich ansieht, was moderne Assistenzsysteme daran bereits bewirkt haben, werden in Summe immer noch wesentlich weniger Menschen zu schaden kommen.
Ich spreche vor allem von mittelfristigen Entwicklungen. Es wird eine ziemlich lange Einführungszeit geben, die mit Vor- und Rückschritten phasenweise stattfinden wird. Wieso eine Maschine mittelfristig in einem spezialisierten Anwendungsfall den Menschen im Durchschnitt nicht haushoch übertreffen sollte, weiß ich nicht.
Und weil du die Luftfahrt erwähnst. Keine Frage, die ist ziemloch stark reguliert. Un ein anekdotisches Beispiel zu bringen: In dem Luftfahrtunternehmen in dem mein Vater gearbeitet hat, gab und gibt es wohl Wochen mit mehreren Audits (nicht selten von den Kunden in der Luftfahrtindustrie selbst), teilweise unangekündigt. In einem der größten Lebenmittelverarbeitungsfabriken, in der ich eine Zeit lang einen Studentenjob in der Reinigung hatte, gab es im Jahr eines, das angekündigt war und auf dass sich entsprechend vorbereitet wurde, weil die Firma es spontan wohl nicht bestanden hätte. Natürlich kosten die Regularien die Luftfahrt viel Geld, aber das schafft auch vertrauen und im Endeffekt ist sie auch international konkurenzfähig. Natürlich wird sie subventioniert bis zum geht nicht mehr, aber zum anderen gilt das in nicht minderem Maß für die Automobilindustrie und zum anderen sind die größten Subventionen (Wegfall der Kerosinsteuer) internationaler Usus womit sie zumindest bei der internationalen Konkurenzfähigkeit nicht entecheidend sind. Selbstverständlich wird es aufwendig ein vergleichbares System zu schaffen, aber wieso sollte nicht gelingen, was in der Luftfahrt möglich war.
Wobei große Firmen schon auch gerne Regularien haben, da sie diese einfacher umsetzen können und damit neue Konkurrenz verhindern können.
Kannst du vergessen.
Ich sage nur: Gaspedal Drive-by-Wire, Lenkunterstützung, Bremsverstärker, ABS-Block, alles per Elektronik geregelt
Deaktiviere ersteres und füttere der ECU einen 100%-Signal, deaktiviere oder manipuliere das elektronische Lenkgetriebe, dass es unkontrolliert ausschlägt (mit bloßer Kraft kommt man nicht dagegen an), deaktiviere den elektrischen Bremskraftverstärker oder lass ihn auslösen, um einen Unfall zu provozieren.
Oder manipuliere das System so, dass bei über 100 km/h auf der Autobahn plötzlich das Lenkrad voll einschlägt. Da kann man gar nicht mehr reagieren.
Oder lasse den Airbag auslösen, auf der Autobahn, allein durch den Schreck baust du einen Unfall, geschweige denn, dass man noch was sieht.
Das geht dann aber nur, wenn keine Menschen außerhalb von Autos in der Nähe sind.
Dafür hast du dann Hackerangriffe und/oder Netzwerkfehler die potentiell noch viel größere Unfälle verursachen könnten.
Wo ist denn da der Unterschied zu nicht-autonom? Die Leute fahren sich heutzutage so einen Mist zusammen (herumspielen am Handy, achten nicht auf den Verkehr), dass ich mittlerweile Herzrhythmusstörungen hätte, wenn es mich mittlerweile noch interessieren würde, ob es kracht oder nicht.
Ein autonomes System kann zwar auch Fehler machen, achtet aber wenigstens auf die Straße.
Kommen wird es so oder so in Zukunft, in Deutschland wahrscheinlich weitaus später, aber, wie mit Dampfmaschinen, Industriemaschinen und Computersystemen wird es irgendwann zum Standard
Ok, ich muss zugeben, mir juckt es gerade in den Fingern ein langes Essay zum Thema schlechte Softwarequalität, Angreifbarkeit, “kaufen beim billigsten Anbieter” etc. pp. rauszuhauen, aber ich belasse es einfach mal dabei einen Blick in die lange Liste der katastrophalen Sicherheitslücken in Soft- wie Hardware der letzten ~10 Jahre zu empfehlen.
Hinreichend bekannt. Aber was wäre die Konsequenz?
Belassen wir alles, wie es jetzt schon ist (Sicherheit in der Entwicklung egal)? Treten wir bis in die Ewigkeit technologisch auf der Stelle, entwickeln nichts neues mehr, damit bloß keine neuen Lücken auftauchen? In zehn bis zwanzig Jahren keine leistungsfähigere und effizienteren Chips, alles bleibt so, wie es aktuell ist?
Oder überdenken wir den Prozess, wie aktuell Software geschrieben und Hardware entwickelt wird und stellen klare Anforderungen an deren Marktreife und Testung?
Diese Anforderungen musst du allerdings irgendwie durchgesetzt bekommen und das ist aktuell teilweise schwierig.
Ein Problem, dass ich sehe ist, dass die Systeme so komplex sind, dass nur noch wenige bis keine Menschen das System überhaupt verstehen. Dadurch kann man z.B. den Auditoren, die die Prozesse prüfen, alles erzählen, da diese es nicht mehr selbst verstehen können. Außerdem herrscht ein großer Druck Sachen zu verschleiern. Teilweise auf Unternehmensebene, aber auch auf Mitarbeiterebene. Es gibt hier eben sehr viele Einzelinteressen, die dazu führen, dass Sicherheitsvorkehrungen nicht ordentlich umgesetzt werden.
Größtes Problem ist sicherlich so etwas wie Updates, da diese gleichzeitig ausgerollt werden können.
Und Testen ist auch schwierig, da es nie möglich ist, alle Szenarien der Realität zu testen. Bei einem Update hast du z.B. die Probleme, dass es sehr viele Updatepfade verschiedener Versionen geben kann oder dass durch Rollbacks unbeachtete Zustände auftreten können. Gleichzeitig soll das Update aber natürlich schnell sein und von jeder Version auf jede geupdatet werden können. In der Realität werden solche “schwierigeren” (und das sind in der Realität leider schon schwierige Probleme, auch wenn sie auf den ersten Blick offensichtlich klingen) Probleme leider oft sehr gruselig behandelt.
Auf der anderen Seite sind Menschen beim fahren auch nicht perfekt. Hier muss man auf jeden Fall abwägen, was hier überwiegt.